Weg und Steg in früherer Zeit
Das Fleckenlagerbuch von 1570 zeigt uns, dass es unsere wichtigsten Straßenzüge damals schon gab. Durch das Dorf führte »die allgemeine Gass«, die heutige Hauptstraße. Nur verlief sie vom Rathaus an über die heutige Kirchstraße, um unterhalb Gotthilf Haugs Haus wieder in die allgemeine Gasse einzumünden. Vom Rathaus an bis zu dieser Einmündung floss dort, wo heute die Hauptstraße verläuft, der Bach, der neben sich keinen breiten Weg, sondern nur noch ein Gäßlein duldete, es hieß das mittlere Gäßlein; die Lodenbergstraße hieß damals einfach Im Lodenberg.
Der älteste uns überlieferte Straßenname ist die Heergasse. Diese Straße, die über die Krautsteige zum Neckar hinunterführte, ist wohl ein uralter Weg; der Name deutet darauf hin. Heerwege waren zumeist frühere Hauptverkehrsstraßen, sie dienten in der Regel dem Fernverkehr; unser Heerweg ist sicherlich eine Abzweigung der uralten Fernverkehrsstraße Straßburg —Freudenstadt — Tübingen — Metzingen — Urach —Ulm — München — Salzburg, die bei Kirchentellinsfurt den Neckar überquerte. Man kann die Verlängerung der Heergasse über Oferdingen, Altenburg leicht bis Kirchentellinsfurt verfolgen. Der tiefausgefahrene Weg, der teilweise wie ein Hohlweg wirkt, spricht auch für ein sehr hohes Alter. Eine Abzweigung führte von Mittelstadt aus nach Bempflingen, während die Hauptstrecke nach Neckartenzlingen weiterging. Bei der Auskofferung der Heerstraße im Mai 1965 kam ein noch teilweise intaktes Straßenpflaster aus Stubensandsteinquadern zum Vorschein, das 50 cm unter der seitherigen Asphaltdecke lag und eine Breite von 4-4,50 m aufwies. Zwischen der Steinvorlage der Asphaltdecke und diesem Pflaster lag eine etwa 4o cm dicke, lehmige Erdschicht, offensichtlich im Laufe der Zeiten angewachsener Straßendreck. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass dieses Pflaster römischen Ursprungs ist.
1570 werden folgende Wege genannt:
1. »Ein Weg bei St. Nikolaus, bei den Kreuzsteinen hinaus bis an den Buchbach, den man nicht mit ungezäumten Vieh fahren soll, wenn Frucht daran steht.«
2. »Ein Weg vom Buchbach hinaus bis auf die Brücke.« (?)
3. Auf dieser Straße (der heutigen Reutlinger Straße), geht ein Weg zwischen Reichenecker und Mittelstädter Gütern in die Hungerhalde hinaus.« (Die Reutlinger Straße wurde vor 1760 auch Markweg genannt.)
4. »Aus der vorgenannten Straße geht ein Weg bei St. Niklaus hinaus bis auf die Kirrisgrube.«
5. »Über die Neckarwiese führt eine Straße hinaus, die man nicht mit ungezäumten Vieh fahren soll.« (Straße nach Pliezhausen.)
6. »Aus dem Heerweg (Heergasse) hinaus geht ein Weg, den man den Steigweg nennt, gegen Dienzlingen (Neckartenzlingen) hinab«, (wahrscheinlich führte dieser Weg unten an der Krautsteige über den Neckar, da er sich jenseits des Neckars fort-zusetzen scheint. Möglicherweise dürfen wir an dieser Stelle eine alte Furt vermuten.)
7. »Aus der genannten Heergasse führt eine Straße hinaus, die man den Hardtweg nennt.«
8. »Ferner den Weg, den man nennt Zwischen den Schmittlin, der hinaufgeht bis auf Röhren-felderwiesen (vermutlich Metzinger Straße).
9. »Ferner haben wir einen Weg gekauft, der durch die Weingärten hinaufführt bis auf Hochbuchwasen, da hat Jörg Knapp ein Wasser, darüber soll er eine Brücke bauen auf Gemeindekosten.« (Bergsteig?)
10. »Ferner die Straße, die von dieser Brücke bis in den Metzinger Wald führt.« II. »Ferner die Straße, die geht bis auf die Heiden, die soll man nicht fahren, wenn Frucht daran steht.« (Buchbadmeg?)
12. »Item das Münnichgäßlein, zwischen Hans Utzen und Hans Ratgebers Gärten, stoßt auf der Frauen von Pfullingen Gut, so Hans Ratgeb innehat. Das soll offen stahn, so kein Frucht alida staht, ist ein ausgesteints Gässlein.« (Hier ist die heutige Schulstraße oder Kronengäßlein gemeint, das um die Jahrhundertwende noch Mönchsgasse hieß. Hans Ratgeber war damals Maier, das heißt Verwalter auf dem sogenannten Mönchshof, dem ersten Pfullinger Klosterhof, heute Krone.)
Dann ist ferner von zwei Gäßlein die Rede, die beide auf der Frauen Gut von Pfullingen stoßen. Hier handelt es sich um die Berggasse und die Ledergasse. Letztere trägt hundert Jahre später schon den heutigen Namen, der möglicherweise auf Gerber hinweist, die dort gearbeitet haben. Die Hofstattstraße ist noch nicht als Weg genannt worden. In der Flurkarte von 1822 war sie noch als Fußpfad eingezeichnet, der sogenannte Metzinger Fußsteig, später auch der Lange Weg genannt.
Befestigt und mit einer Fahrdecke versehen sind unsere Straßen allerdings erst in diesem Jahrhundert. Noch in der Uracher Oberamtsbeschreibung von 1909 heißt es: »Die chaussierten und mit Kandeln versehenen Straßen sind sämtlich uneben, steil und fallen in beständigem Wechsel, da die Seitengassen, die von der im Grund des Tälchens verlaufenden Hauptstraße abzweigen, an den Abhängen in die Höhe ziehen, wo sie großenteils blind, das heißt als Sackgässchen endigen. Infolge davon vollzieht sich der Verkehr im Dorf, besonders auch für die Zugtiere, nicht ohne Beschwerde.«
Eine Brücke über den Mühlkanal wird schon 157o erwähnt. Es war eine Holzbrücke, für deren Instandhaltung der damalige Lehensinhaber der Mühle, Hans Müller, aufzukommen hatte. Diese Pflicht der Unterhaltung dieser Kanalbrücke durch die Mühle scheint noch im Jahre 1926 bestanden zu haben, denn damals wehrte sich der Mühlenbesitzer Röhm in einem Schreiben an den Mittelstädter Gemeinderat dagegen, die Brücke neu beschottern zu müssen. Der Gemeinderat lehnte seine Bitte um Befreiung von dieser Pflicht jedoch ab mit der Bemerkung, der Mühlebesitzer Röhm habe eben die Unterhaltung der Brücke vertraglich übernommen, davon könne man nicht abgehen.
Die Neckarbrücke hat der Gemeinde Mittelstadt immer wieder einigen Kummer bereitet. 1865 scheint ein hölzerner Tragbalken schlecht geworden zu sein. Der Gemeinderat beschließt daraufhin, die »Reparatur alsbald vorzunehmen, das Geschäft im Taglohn durch tüchtige Arbeiter fertigen zu lassen und den Fronaufseher zu beauftragen, strenge Aufsicht zu führen.« Wenige Jahre später macht die Brücke erneut Sorgen und der Gemeinderat beschließt am 2o. Juli 1877 »anstatt der baufälligen hölzernen Brücke eine neue eiserne Brücke zu bauen«. 1878 lieferte dann die Firma August Müller und Th. Link aus Stuttgart die 32 000 kg wiegende Eisenkonstruktion der neuen Neckarbrücke um 12 035,37 Mark. Nach 8 Wochen waren die Arbeiten beendet und die Brücke konnte befahren werden.
Aber schon 1898 durfte sie nur noch mit höchstens 6 t belastet werden. Die Mittelstädter Gemeinde betrachtete diese Beschränkung als ein Verkehrshindernis und sann auf Abhilfe. Aber erst im Jahre 1927 wurde die Maschinenfabrik Eßlingen beauftragt, Kostenvoranschläge für die Verstärkung der Brücke zu machen. Von Seiten des Staates wurde jedoch ein völliger Neubau ins Auge gefaßt. Er sollte 48 cm Mark kosten. Die Verhandlungen zogen sich in die Länge. Am 1. Juli 1938 erhielt die Gemeinde Mittelstadt dann endlich folgenden Bescheid: »Die Ortsdurchfahrt durch Mittelstadt ist äußerst schlecht; vom verkehrstechnischen Standpunkt aus wäre es verfehlt, die neue Neckarbrücke an die Stelle der alten zu bauen. Es müsste in Verbindung mit einer Umgehungsstraße ein anderer Talübergang gesucht werden.« Dabei blieb es. 1939 kam der Krieg, der 1945 auch in Mittelstadt seine Spuren hinterließ. Die Neckarbrücke wurde im Verlaufe der Kriegshandlungen gesprengt und lag einige Zeit lang im Fluss. Mittelstädter Bürger, ehemalige Mitglieder der NSDAP, brachten sie dann nach Kriegsschluss in Gemeinschaftsarbeit in die alte Lage zurück. Das Leben ging weiter, die alte Brücke blieb.
In einigen Jahren aber wird sich nun doch eine neue Betonbrücke über den Neckar spannen, und die jetzige wird der Geschichte angehören.