Die Weihnachtsganz
Zum hiesigen Pfarrer, der wie wir wissen, zwei Dörfer zu betreuen hat, kam vor Jahren anfangs Dezember nach einem mittäglichen Religionsunterricht ein Bauernbub, der in dieser großen Kirchengemeinde sein Elternhaus hatte. »Herr Pfarrer«, sagte der Bub, »meine Mutter läßt fragen, ob Sie zu Weihnachten eine Gans von uns möchten.« Der Pfarrer, an sich gar nicht bestechlich, meinte: »Na ja, das wäre ganz schön, damit würdest Du uns schon eine Freude machen.« Der Bub versprach, die Gans rechtzeitig zu Weihnachten ins Pfarrhaus zu bringen.
Der Herr Pfarrer verständigte seine Frau, und die wars zufrieden, diesmal keine Gans kaufen zu müssen.
Weihnachten nahte; es wurde Heiligabend, und die Gans kam nicht. Das Fest mußte schließlich ohne Gänsebraten gefeiert werden. Auch nach Weihnachten ward keine Gans ins Pfarrhaus gebracht. Erst gegen Ostern wagte der Herr Pfarrer, den Bub zu erinnern: »Deine Mutter hatte uns doch durch Dich zu Weihnachten eine Gans versprochen.« Der Bub druckste ein Weilchen hin und her und brachte es aber dann doch noch heraus: »Herr Pfarrer, die Gans ist wieder gesund geworden.«
Quelle: Mittelstadt in Vergangenheit und Gegenwart mit Beiträgen von Fritz Flach, Dr. Artur Röhm, Gudrun Schrägle und Konrad Steinmaier