Wurst-Hansjörg
Wurst-Hansjörg war der Sohn eines Mittelstädter Webers. Er ging seiner täglichen Arbeit treu und fleißig nach — bis er zum Militärdienst nach Straßburg eingezogen wurde.
Die Soldatenzeit schenkte ihm die Erfahrung, daß man auch ohne tägliche Mühe und Plage ganz schön und bequem durchs Leben kommen kann. Nach Beendigung seiner Dienstzeit wieder in sein Heimatdorf Mittelstadt zurückgekehrt, hatte er allen Geschmack an der Arbeit verloren. Er machte von nun an einen weiten Bogen um sie und gab sich süßem Nichtstun hin. Sein Auskommen hatte er trotzdem, denn die Mittelstädter schenkten ihm, was er zum Leben brauchte, ohne daß er darum betteln mußte. Wurst-Hansjörg wurde dadurch niemandem lästig; ja er konnte es sich sogar leisten, einige Häuser mit Mißachtung zu strafen, indem er von ihren Besitzern trotzig keinerlei Almosen mehr annahm — weil sie ihn gekränkt hatten.
Natürlich gab es auch einige mit pädagogischem Ehrgeiz begabte Leute im Dorf, die ihn gerne wieder auf den tugendhaften Pfad der schweißtriefenden täglichen Arbeit geführt hätten, wie zum Beispiel Georg Röhm aus der Mühle. Dieser versuchte ihn eines Tages zu überreden, doch bei ihm in der Mühle sein Brot zu verdienen. Röhm fügte zum Schluß noch an: »Hansjörg, Arbeit macht das Leben süß.« Worauf Wurst-Hansjörg mit beiden Händen und einem geradezu angewiderten Gesicht abwehrte: »Oh, Herr Röhm, i mags et so süß!« Hansjörg wünschte keine Arbeit, er wollte nur seinen Frieden.
Quelle: Mittelstadt in Vergangenheit und Gegenwart mit Beiträgen von Fritz Flach, Dr. Artur Röhm, Gudrun Schrägle und Konrad Steinmaier